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Gedanken zu einem neuen Jahr. 2025. Here we come.

  • Autorenbild: CALI
    CALI
  • 29. Jan.
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 30. Jan.

Der erste Monat des Jahres ist zwar schon wieder passé. Nichtsdestotrotz: Einige Gedanken zu 2025. Tatsächlich wollte ich mich heute endlich daran machen, einen Beitrag über unser Tinyhaus-Projekt zu verfassen, das wir vor gut einem Jahr gestartet haben. Und dabei bin ich über diesen fast fertigen Beitrag gestolpert, den ich aus unerfindlichen Gründen vor einem Jahr nicht veröffentlicht habe... "Gedanken zu einem neuen Jahr." Zum Jahr 2024. Nun eben ein Jahr später. Was ist schon ein Jahr?! Puh... Tatsächlich hat sich in unserem persönlichen Leben auf vielen Ebenen garnicht so viel verändert. Und doch sind wir gleichzeitig in einer ganz anderen Situation, als noch zu Beginn von 2024... Wenn man die weltpolitische Bühne hingegen betrachtet, ist ein Jahr eine gefühlte Ewigkeit. Immer eine Frage des Blickwinkels also?


Wir wollen dir in diesem Beitrag einige Gedanken weitergeben, die uns in den letzten 2 Jahren wichtig geworden sind. 2 Jahre die weiter geprägt waren von Long-Covid und der damit einhergehenden Begrenzung. Aber auch mit Hoffnungsschimmern. Okay, schimmern klingt zu wenig stark. Es ist eher ein Strahlen! Wir durften im letzten Jahr den Traum vom Bau unseres eigenen Tinyhauses verwirklichen! Dazu dann aber tatsächlich in einem eigenen Beitrag mehr.



In diesem Beitrag hier, soll es um die Auseinandersetzung mit unserem Leben mit chronischer Krankheit in einer von Leistung geprägten Gesellschaft gehen. Und um die Hoffnung, die in uns wachsen kann. Hoffnung trotz Krankheit, Kriegen und Klimakatastrophe. Ich freue mich wenn du mit uns auf eine kleine Reise kommst...



Geschichten bewegen mich seit jeher. Auch heute noch sind Hörbücher meine Leidenschaft und ich verliere mich nur zu gerne lesend oder hörend in einem guten Buch. Ich liebe es auch, selbst zu schreiben. Aufsätze in der Schule verfassen zu müssen, war darum für mich keine lästige Pflicht. Ich habe es geliebt! Ein Ausgleich zu meiner Dyskalkulie. Mein Mathelehrer zitierte mich regelmäßig an die Tafel um mich, wohl wissend dass ich es nicht "raffte", vor der ganzen Klasse bloss zu stellen. Wie oft wollte ich in solchen Momenten im Erdboden versinken, wünschte mir, dass ich aufhörte zu existieren.


Auch Cornelia hat sich in der Schule schwer getan. Sie entsprach nicht dem Normativ eines Mädchens, wurde aufgrund von Übergewicht oft gehänselt. Auch fielen ihr etliche Schulfächer schwer. Im Rechnen hingegen war sie sehr gut und sie genoss den Mathematik-Unterricht, im Gegensatz zu mir.



Wir haben beide sehr ambivalente Erinnerungen an unsere Schulzeit. Neben unserer Liebe für bestimmte Fächer, war die Schule für uns beide vor allem geprägt von Unsicherheit, Angst und Einsamkeit. Ja unser aller Leben ist von Kindheit an geprägt von Höhen und Tiefen, mit der Konfrontation mit den eigenen Stärken und Schwächen. Mit Vermögen und Unvermögen.


In meiner Freizeit flüchtete ich mich stets zu meinen Tieren. Bei meinem Pflegepferd Bella konnte ich die Seele baumeln lassen, mich beim Galopp über die Wiesen vollkommen frei fühlen. Cornelia liebte das Fussballspielen. Hier konnte sie die Zeit vergessen und ganz im Hier und Jetzt aufblühen. Frei vom Druck der Schule und den Ansprüchen die an uns gestellt wurden. Frei vom Urteil anderer.



Seit unserer Erkrankung denke ich sehr viel nach über den Charakter unserer leistungsbezogenen Gesellschaft und unseren persönlichen Umgang damit im Alltag. Von Klein auf werden wir dazu angehalten zu leisten und gesellschaftskonform zu funktionieren. In der Schule, im Praktikum, in der Ausbildung, im Studium, im Beruf, in der Freizeit. Es wird suggeriert je mehr man sich anstrengt, je besser man Deutsch, Mathe, Physik und Fremdsprachen beherrscht, je höher man sich qualifiziert, je mehr man leistet, desto besser die Anstellung, desto besser der Verdienst, desto erfolgreicher die Karriere, desto glücklicher das Leben.


Mooooment mal! Ist das wirklich so?



Ist das, was uns da suggeriert wird, dieses Verständnis das tief ins gesellschaftliche Bewusstsein eingebrannt ist, wahr? Wahr ist, dass diese tiefen Überzeugungen von Leistung, Wohlstand, Glück durch Karriere, einer heilen Familie, Gesundheit und Leistungsfähigkeit so tief verankert sind und von Generation zu Generation weitergegeben werden, dass es scheinbar keine Alternative gibt, ein erfülltes Leben zu leben. Und Fakt ist, das haben wir beide am eigenen Leben erfahren: wenn man nicht mehr in der Lage ist zu leisten und einen Beitrag zum Erhalt dieser Gesellschaftsform zu leisten, wird man aussortiert. Gnadenlos. Entweder schon in Kindertagen "Du kannst nicht stillsitzen, bist laut, hast eine Beeinträchtigung? Pillen schlucken oder ab in die Förderschule". Menschen die durchs Raster fallen, werden aussortiert und zum Beispiel in Bezug auf Bildung, benachteiligt. Werden "sonderbeschult und wiedereingegliedert oder in jungen Jahren berentet". Ganz nach dem Motto: Du funktionierst nicht mehr im grossen Ganzen? Du leistest keinen Beitrag für Wachstum, Erfolg und kollektiven Wohlstand? Dann bitte: Da ist die Tür! Und ich frage mich je länger unsere Erkrankung andauert: Kann das sein? Ist das richtig? Tatsche ist: So funktioniert unsere kapitalistische Gesellschaft. Das heisst aber nicht, dass es zwangsläufig richtig ist.


Dieses Muster ist ein ethisches Armutszeugnis einer materialistisch reichen Gesellschaft. Gesellschaften sind nie homogen! Warum lernen wir diesen Umstand nicht endlich als Gewinn und nicht als Krücke zu begreifen?



Seit unserer Erkrankung sind wir je länger je mehr gezwungen uns mit unserem "Funktionieren" in dieser materiell reichen und emotional so armen Gesellschaft auseinanderzusetzen. "Was? Ihr seid immer noch krank? Ist ja verrückt!" Allzu oft meine ich in solchen Aussagen die Meinung mitschwingen zu hören: "Naja also jetzt ist aber mal gut, reiss dich halt zusammen! So schlimm wird's ja wohl nicht sein! Long-Covid? Echt jetzt? Das ist doch eine erfundene Krankheit um nicht mehr arbeiten zu müssen. Die sollen sich mal nicht so anstellen! Dem Staat auf der Tasche liegen und keinen Beitrag leisten. Die sind wahrscheinlich psychisch krank. Von wegen Corona! Die Pandemie haben wir hinter uns!".


Ich muss mich an die eigene Nase packen und mich fragen? Wie schnell habe ich vor meiner Erkrankung Menschen verurteilt, die in einer ähnlichen Situation sind, wie ich jetzt?! Der Mensch der an der Strassenecke um Geld bettelt, hat sich sein Schicksal ja wohl selbst eingebrockt! ... Ja wenn er ein ADHS hat ist er in einer Förderschule bestimmt besser aufgehoben! Tatsächlich aber kann "sozialer Abstieg" und die damit einhergehende Ausgrenzung, rasend schnell gehen und sehr unbarmherzig zuschlagen, wenn man*frau nicht mehr leistet, nicht so "tickt" wie es gewünscht wird. Das ist die unbarmherzige Realität die einfach jede*n kalt erwischen kann. Jede und jeden, der sich in Sicherheit wähnt. Eine längere Krankheit von der du es nicht schaffst dich zu erholen, eine Behinderung oder psychische Erkrankung die du erwirbst und du bist weg vom Fenster. Lebensumstände, die dich aus deiner Sicherheit heraus zwingen, ein Schicksalsschlag der alles verändert,.... Wir sind sehr schnell im Verurteilen, aber langsam im Hinterfragen. Das wollen wir für uns ändern!



"Wer weiss, wofür es gut ist?", haben wir in einem der letzten Beiträge gefragt. Heute kann ich wenigstens eine Antwort darauf geben: für die Empathie ist es gut! Als Sozialpädagogin bin ich darauf "trainiert" emphatisch zu sein, sozial zu denken und zu handeln. Doch tatsächlich glaube ich, dass ich erst durch meine Erkrankung wirklich nachvollziehen kann was es heisst, in einem System bestehen zu müssen, das auf Leistung programmiert ist. Während 4 Jahren Studium habe ich das nicht gelernt. Ich musste es am eigenen Leib erfahren, musste selbst durchs Tal, um es wirklich zu verstehen, was es bedeutet, gesellschaftlich nicht anerkannt zu werden. Wir möchten in Zukunft gerne selbst Menschen sein, die emphatisch helfen können. Weil sie durch eigenes Erleben erfahren haben, wie sich das Gegenüber fühlen kann. Bis dahin aber gilt es noch ein Stück Weg zu gehen. Noch sind wir beide nicht gesund... Aber die Hoffnung bleibt. Die Hoffnung, dass die Gesundheit wenigstens zum Teil, wieder kommt. Arbeiten zu können, sich durch Arbeit selbstwirksam zu erleben, verstehen wir heute nicht mehr als notwendige Selbstverständlichkeit um in der Gesellschaft zu funktionieren, sondern als grosses Privileg.



Unser Vorhaben fürs neue Jahr und darüber hinaus: Wir wollen wieder mehr vertrauen auf das, was wir gut können und gern tun. Und die Herausforderung angehen die es bedeutet, in einer leistungsorientierten kapitalistischen Gesellschaft, das Leben zu leben, das uns entspricht. Unser Leben. Im Moment heisst das unter anderem, unseren lange gehegten Traum vom Tinyhaus weiter zu verwirklichen. Der Beitrag dazu folgt in Bälde :)



Wir wünschen dir und deinen Lieben ein 2025 das geprägt ist von dem, was für dich ganz individuell wichtig und richtig ist! Wir wünschen dir, dass du vielleicht wieder neu, an deine Stärken glaubst. Auch, oder gerade dann, wenn sie vielleicht keinen offensichtlichen gesellschaftlichen Nutzen haben! 2025: Here we come!


Liebe geht raus zu dir von

den CALIs.





 
 
 

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